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Was Deutsche mögen (15): Neger

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claudiablackface

Neger spielen in den Fantasien der Deutschen seit jeher eine prominente Rolle. Neger haben wahlweise "Rhythmus im Blut", "athletische Zauberkräfte", eine "Frohnatur" oder sind "Opfer" dieser oder jener historischer oder politischer Ereignisse. Gerade jetzt, während die Fussballweltmeisterschaften in Afrika stattfinden, findet man in Deutschland wieder öfter Zeit und Muße, die Rolle des Negers in der Welt und der Weltgeschichte zu kontemplieren. Dem Neger an sich wird in Deutschland allerdings auch eine außergewöhnliche erotische Qualität riefenstahlinafricazugesprochen, die sich schemenhaft aus den eingangs beschriebenen Rollenspezifika zusammensetzt. Prominente wie Gustav Gründgens, die späte Leni Riefenstahl oder Boris Becker sowie die Leser der Bestseller von Corinne Hofmann haben daraus eine regelrechte Obesssion entwickelt.

Eine besonders beliebte Methode, sich dem reizvollen Sujet zu nähern, ist es, sich als selbiges zu verkleiden. Dass die Methode des "Blackface", wenn also eine weissen Person mit dunklem Make-Up zum Schwarzen gemacht wird, eine Tradition des amerikanischen Rassismus ist, wird in Deutschland als "politisch korrekte Überempfindlichkeit" gesehen. Das zeigten erst neulich wieder die Fotos, die Karl Lagerfeld von seiner Muse Claudia Schiffer in Blackface in einer Sonderausgabe des Fotoheftes der Illustrierten Stern veröffentlichte. Ein anderer jüngerer Fall war die tragisch missglückte Aufdecker-Dokumentation "Schwarz auf Weiss", in der der legendäre Undercover-Journalist Günter Wallraff mit Afroperücke und dunkelbraunem Make-Up durch Deutschland reist und versucht, sogenannte Proleten zu rassistischen Ausschreitungen zu provozieren.

Dieser sorglose Umgang mit dem "Blackface" rührt daher, dass man sich längst ein etwas entspannteres Verhältnis zu Afrodeutschen, Afroamerikanern und Afrikanern zutraut, nachdem der Völkermord an den Herero von 1904 ja nicht nur über ein Jahrhundert zurückliegt und von zwei Weltkriegen sowie den Schrecken des NS-Regimes mit einem historisch viel gewichtigeren Völkermord längst in den historischen Schatten gestellt wurde. Doch auch das gute Verhältnis zu schwarzen GIs vom Frühjahr 1945 bis in die frühen neunziger Jahre hinein legte das Fundament für eine "gesunde Normalisierung".

Sollte das Gespräch in Deutschland nun auf die musikalische/animalische/athletische Begabung der Schwarzen oder auf die "Empfindlichkeite der Amis" in Bezug auf Blackface kommen, wechselt man am besten das Thema, da man als "politisch korrekter Spassfeind" schnell eine gesellschaftliche Pariarolle zugeschrieben bekommt. Die Sublimation deutschen Restunbehagen mit Menschen schwarzer Hautfarbe zum Beispiel über Diskussionen um die "nervigen Vuvuzelas" sollte man aus selbigem Grunde ebenfalls tunlichst ignorieren.

Abb.: Dom Perignon/Stern Fotografie, Taschen Verlag


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